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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

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Birgit Wagenbach schrieb: "Ich musste mir gerade mal Luft bezüglich meines Radkaufs machen" und sandte uns den vorliegenden Beitrag. Dass die angesprochene Thematik auch Männer beschäftigt, zeigt die Antwort von Peter Sauer (s. u.).


Fahrradindustrie und Frauen

Frauen werden in der Fahrradindustrie zu wenig berücksichtigt und die im Alter fortgeschrittenen schon gar nicht.

Egal ob im sportlichen Rennrad- oder MTB-Bereich, mir als Frau werden nur Bikes mit unzureichender Über- beziehungsweise Untersetzung beim Händler angeboten. Da ich kaum in der Ebene fahre, sondern im Mittelgebirge oder in den Alpen, frage ich mich, warum nicht mehr Modelle eine Übersetzung mit großer Spreizung anbieten. Es gibt zwar noch die 3-fach Kurbel, aber an den höherklassigen Modellen wird standardisiert nur eine 2-fach Kurbel angeboten. Möchte ich solch ein Rad, muss ich umbauen und somit einen höheren Preis in Kauf nehmen.

Orthopäden empfehlen, leichtere Gänge mit höherer Frequenz zu pedalieren, um die Knie zu entlasten. Warum findet das keine Beachtung? Im Mountainbike Bereich setzt die Industrie zunehmend auf eine 2-fach Kurbel, ähnlich der Kompakt Rennradkurbel, was natürlich wartungsärmer ist und einen Gewichtsvorteil bringt. Daran bin ich freilich auch interessiert, vorausgesetzt, ich kann mit der Abstufung "hochprozentige" Steigungen bezwingen und in der Ebene möglichst noch mithalten. Bin ich mit dem Problem wirklich allein? Im Gelände sehe ich schon häufiger Rad schiebende Frauen als Männer, was mir in der Seele weh tut, da ich weiß, dass das mit der entsprechenden Übersetzung (z. B. 3-fach MTB Kurbel 11–36 und einem kleinen 20 Zahn Kettenblatt) nicht notwendig wäre. Die wenigsten Frauen wissen wohl davon und meinen, es läge am Radgewicht. Natürlich ist das auch eine entscheidende Größe. Aber mit unzureichender "Zahnung" lässt sich damit der Berg auch nicht bezwingen. Sollen Frauen dann auf E-Bike umstellen? Für die Industrie ist das zwar am lukrativsten, aber was ist daran noch Sport oder Fun?

Der Hersteller Canyon, der seit Jahren hervorragende Modelle zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis hervorbringt und immer wieder in den Magazinen "Tour" und "Bike" für sehr gute Benotungen seiner Räder sorgt, hat zwar speziell auf Damen abgestimmte Räder im Programm, aber wie viele Damen und auch weniger austrainierte, athletische Herren damit glücklich werden, wenn die Gangspreizung mindestens zwei Zähne auslässt, die wichtig sind, um knackige Steigungen bezwingen zu können, weiß ich nicht. Fahren Frauen nur in der Ebene oder auf Asphalt? Ich glaube kaum. Mit der entsprechenden Übersetzung habe ich deutlich mehr Spaß, wie ich aus Erfahrung weiß, seit ich einmal ein Rad umgebaut habe. Ich möchte aber nicht mehr umbauen müssen, sondern von der Industrie entsprechend bedient werden. Ich plädiere für die Gleichstellung zwischen Mann und Frau insofern, als ich auch ein passendes Modell in der höheren Klasse finden möchte, und zwar ohne Umbau!

Birgit Wagenbach

Straßenrenner (links) für gut trainierte Athleten versus alltags- und bergtauglicher Flitzer
Foto: Peter Sauer

... und die Männer?

Liebe Birgit,

ich habe mein Rennrad vor einigen Jahren unter anderem deshalb verkauft, da mir die gängige Rennradübersetzung in den Bergen zu wenige Möglichkeiten bietet. Die Standard-Übersetzungen sind für regelmäßig trainierende Rennsportler ausgelegt. Menschen, die zwar viel Rad fahren (ich fahre um die 8.000 km im Jahr), aber nicht wirklich trainieren, kommen mit solchen Übersetzungen kaum zurecht. Auch die jungen Städter, die im Retrostil auf alten Rennmaschinen durch die Stadt rollen, zeigen, dass sie zwar schick aussehen, aber mit ihren Fahrzeugen schlecht Rad fahren können.

Mein neues "Rennrad" habe ich selbst zusammengestellt. Es ist bergtauglicher als der alte Renner, dafür aber wesentlich teurer (wie du ja auch erfahren hast). Mehrtägige Fahrversuche im nordhessischen Bergland und im Schwarzwald haben gezeigt, dass ich damit auch an längeren Steigungen nicht verzweifeln muss.

Ich bin viele Male auf einem Reiserad inklusive Campingausrüstung über die Alpen gekrochen (gemeinsam mit meiner Frau, um wieder zu deinem Thema zurückzukommen). Wir schieben fast nie, die Übersetzung der Velos ist so ausgelegt, dass wir – gemächlich – über die Hohen Tauern genauso kommen wie über das Stilf­ser Joch. Lücken in der Zähnezahl nehmen wir dabei allerdings in Kauf.

Vor vielen Jahren, zu Beginn der Mountainbike- und Reiserad-Zeit, habe ich mir ein Tourenvelo selbst zusammengebastelt. Die damals üblichen 6-fach-Ritzel lies ich mir individuell abgestimmt auf meine Bedürfnisse bei der Firma Sachs montieren. Das war nicht billig, doch da ich Ritzel mit 11 oder 13 Zähnen nicht brauchte, konnte ich die Sprünge zwischen 16er und 34er (so in etwa muss es gewesen sein) reduzieren. Nach dem zweiten oder dritten Ritzeltausch habe ich diese Bastelei aufgegeben. ­Wochenlange Lieferzeiten und erhebliche Kosten haben mich zum (unbefriedigenden) Standard zurückkehren lassen. Fazit für mich: Auch Männer, die nicht ausgesprochene Technikfreaks und Bastler sind, sind oft unglücklich mit dem Industriestandard.

Peter Sauer