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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Na also, geht doch: eine KFZ-Fahrspur weniger, dafür Radler und Fußgänger sicher geführt!
Foto: Bertram Giebeler

Ärger an Baustellen: es geht auch besser!

"Normale Härte" in Frankfurt, und zwar seit Jahren: wird irgendwo eine Baustelle aufgemacht, egal ob Hoch- oder Tiefbau, und ist dem Baustellenbetreiber ein Radweg, ein Radsteifen oder ein Schutzstreifen irgendwie auch nur ein wenig hinderlich, wird dieser kurzerhand zugestellt, zugemüllt, verbrettert, abgesperrt oder sonstwie aufgehoben. Anscheinend darf jeder Polier in eigener Machtvollkommenheit solche Hoheitsakte selbst vollziehen

Natürlich gibt es eine Abteilung bei der Straßenverkehrsbehörde, die u. a. die Verkehrssicherheit von Baustellen sicherstellen muss und die auch Genehmigungen und Baustellenabnahmen praktiziert. Es drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass die Möglichkeit für Radfahrer (und Fußgänger), eine Baustelle sicher und legal zu passieren, definitiv nicht zu den Kriterien einer Baustellenabnahme gehört. Im Gegenteil, oft genug ist es so, dass Radfahrer völlig gedankenlos in lebensgefährliche Situationen hineingedrängt werden.

Kurz und schnörkellos: Ruck-Zuck – Radweg weg! Dumm gelaufen für die Radler! Was suchen die auch hier?
Foto: Bertram Giebeler

Zwei schlechte Beispiele von Dutzenden
Nehmen wir nur dieses schöne Beispiel aus der Taunusanlage, direkt vor den Türmen der Deutschen Bank: Hier soll sich der Radler jetzt auf die Fahrspur setzen, hinter sich PKW und Liefer-LKW, die womöglich kurz vor der Ampel noch mal beschleunigen. Souveräne Stadtradler machen das, sie nehmen sich auch richtigerweise die volle Spurbreite, müssen sich dafür aber oft anhupen oder aus dem Autofenster anblaffen lassen.

Ein anderes Dauerproblem ist die Großbaustelle des ehemaligen Degussa-Geländes östlich des Theaters. Die Verbretterung der Baustelle wurde hier so weit in die Weißfrauenstraße hineingedrängt, dass Radler zwischen den Straßenbahngleisen fahren müssen. Ein Mitglied der Verkehrs-AG des ADFC Frankfurt wurde hier schon zweimal Zeuge eines Unfalls. Frage: hat irgendjemand mal überprüft, ob das von den Baustellenabläufen her überhaupt so sein muss? Ein Meter mehr Platz auf der Straße würde schon für ein sicheres Radeln (bei Tempo 30 und mit Piktogrammen) neben den Straßenbahngleisen genügen. Vielleicht reicht es dafür ja schon, den Betonmischer ein Stück wegzurücken.

Ein seltenes gutes Beispiel
Dass es auch anders geht, dafür gibt es sogar in Frankfurt einige (wenige) Beispiele. Nehmen wir die Baustelle Sonnemannstraße/Obermainstraße gegenüber dem Sudfass-Bordell: Hier wurde für die sichere und legale Führung der Radler und Fußgänger eine KFZ-Fahrspur geopfert – von Dauerstaus an dieser Stelle war noch nirgends die Rede. Die Umleitung der Radler und Fußgänger wurde nachvollziehbar baulich ausgeführt, damit ein durchschnittlich intelligenter Mensch nicht irritiert davorsteht und sich fragt: was soll und darf ich jetzt machen? Wenn denn die Baustelle zwingend den Platz braucht, dann wünschen wir uns einen Umgang mit Radlern und Fußgängern so wie in diesem Beispiel.

Dieses Schild gehört vor jede Baustelle, die den Radverkehr tangiert: Tempo 30!
Foto: Bertram Giebeler

Mindeststandard Tempo 30
Eine Mindestmaßnahme bei allen Baustellen, bei denen eine Aufhebung bzw. Umlegung des Radwegs oder des Rad- bzw. Schutzstreifens wirklich (amtlich überprüft) zwingend ist, wäre erst mal diese hier:

Das Beispiel auf dem Bild, die Beschilderung am nördlichen Mainufer nahe dem Eisernen Steg, war gar nicht wegen des Radverkehrs aufgestellt worden, aber es zeigt, was mindestens und ohne großen Aufwand geht: Tempo 30, und zwar ab 50 m vor jeder Baustelle, die den Radler dazu zwingt, den Radweg oder Rad/Schutzstreifen zu verlassen. Wenn nötig, muss dem durch Kunststoffauflagen auf der Fahrbahn Nachdruck verliehen werden, dem Radler kann am rechten Rand Durchlass gewährt werden. Das wäre schon mal was als generelle Regelung. Bei Tempo 30 darf der Radler ohne weitere Beschilderung auf die Fahrbahn. Eine zusätzliche temporäre Auszeichnung mit Fahrradpiktogrammen auf der Fahrbahn wäre trotzdem hilfreich.

Ein Blick über den Tellerrand: Stuttgart macht es besser!
Ausgerechnet in Stuttgart, dem Sitz von Daimler, Porsche, Bosch und Dutzenden von Autozulieferern, ausgerechnet in der Stadt, die wie keine zweite Großstadt in Deutschland vom Auto lebt, macht man sich bei Baustellen oder bei veranstaltungsbedingten Radwegsperrungen einigermaßen systematisch Gedanken um das Vorwärtskommen und um die Sicherheit der Radfahrer.

Gudrun Zühlke, Landesvorsitzende des ADFC in Baden-Württemberg und vorher langjährige Kreisvorsitzende in Stuttgart: "Seit zwei bis drei Jahren wird zumindest auf den Hauptrouten bei Baustellen eine Umfahrung eingerichtet und ausgeschildert. Dafür haben wir jahrelang bei den Gemeinderäten (= Stadtverordnete in Frankfurt) und bei der Verwaltung gearbeitet."

Radverkehrs-Umleitung bei einem Straßenfest in Stuttgart
Foto: A. Zühlke, ADFC Stuttgart

Das hat sich spürbar zum Vorteil des Radverkehrs und zur Durchsetzung zivilisierter Zustände an Baustellen ausgewirkt. Hierzu Claus Köhnlein, beim Stadtplanungsamt angesiedelter Radverkehrsbeauftragter der Stadt Stuttgart: "Bei Baustellen von längerer Dauer muss der Bauträger auf seine Kosten für eine legale und sichere Führung des Radverkehrs um die Baustelle sorgen. Diese Maßgabe wird von der Verwaltung auch kontrolliert."

Stuttgart wäre gar nicht auf die Idee gekommen, sich wie Frankfurt für den "Green City Award" zu bewerben und als "grüne Großstadt" mit Kopenhagen zu konkurrieren. In der Praxis schafft man dort aber gewisse Regeln für den Umgang mit dem Radfahrer bei Baustellen und für seine Sicherheit und setzt diese Regeln auch um. Es gibt dort dafür eine Menge anderer Probleme, und es wäre sicher nicht im Sinne unserer schwäbischen ADFC-Freunde, die Situation in Stuttgart zu glorifizieren. Dennoch: Frankfurt mit seinen hohen Ansprüchen an urbane Nachhaltigkeitskonzepte sollte bei dem ganz hautnahen Problem der Sicherheit seiner Radfahrer an Baustellen mindestens den Standard der Schwabenmetropole erreichen. Damit wäre schon viel gewonnen.

Bertram Giebeler