Skip to content

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main   

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

Artikel dieser Ausgabe
"

Foto: Holger Küst

Radwegbenutzungspflicht im Main-Taunus-Kreis

Am Thema Radwege scheiden sich seit einigen Jahren die Geister – einige Radfahrer verteidigen in gutem Glauben Radwege als Sicherheitsgewinn. Andere Radfahrer wehren sich gegen die Benutzungspflicht von Radwegen. Woran liegt dies?

Zum Verständnis ist zunächst eine Aufstellung der Typen von Radverkehrsanlagen im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO) erforderlich. Es gibt

  • Fahrradstraßen
  • benutzungspflichtige Radwege
  • gemeinsame Geh- und Radwege
  • getrennte Geh- und Radwege
  • separate Radwege
  • Radfahrstreifen
  • Schutzstreifen
  • nicht benutzungspflichtige Radwege
  • Gehwege – Radfahrer frei
  • Führungen von Radlern auf der Fahrbahn

Die nur für Radler vorgesehenen Radverkehrsanlagen dürfen von Radlern ab einem Alter von acht Jahren benutzt werden, bis zum Alter von 10 Jahren darf der Fußweg genutzt werden.

Was unterscheidet jetzt die verschiedenen Führungsformen und woran kann man sie erkennen? Fahrradstraßen sind die Straßen, in denen der Radverkehr den Hauptanteil der Verkehrsteilnehmer darstellt oder in naher Zukunft darstellen wird. Hier dürfen andere Verkehrsteilnehmer ausnahmsweise zugelassen werden, sie dürfen jedoch nicht schneller als 30?km/h fahren, Radler dürfen nebeneinander fahren und nicht behindert werden.

Gemeinsame Geh- und Radwege sind am blauen Schild mit der horizontalen weißen Linie erkennbar, die Fußgänger und Fahrrad trennt. Diese Wege dürfen in ganzer Breite sowohl von Fußgängern und Radlern genutzt worden, hier ist gegenseitige Rücksichtnahme zwingend erforderlich.

Getrennte Geh- und Radwege sind an der vertikalen Linie erkennbar, die Fußgänger und Fahrrad trennt. Hier dürfen die Radler und die Fußgänger sich nur auf jeweils ihrer Seite der erkennbaren Trennlinie bewegen. Damit ist ein Ausweichen auf den Fußweg bei einem Radwegparker nicht erlaubt, Fußgänger dürfen den Radweg nur unter Beachtung des fließenden Verkehrs queren.

Separate Radwege dürfen nur von Radlern genutzt werden, mit dem selben Verkehrszeichen sind auch Radfahrstreifen beschildert. Letztere sind mit einer durchgezogenen Linie von der Kfz-Fahrbahn abgetrennt und befinden sich auf der Fahrbahn. Radfahrstreifen dürfen nicht von Kraftfahrzeugen überquert werden.

Schutzstreifen befinden sich ebenfalls auf der Fahrbahn und sind von der Kfz-Fahrbahn durch eine Leitlinie (gestrichelte Linie) getrennt. Sie dürfen unter der Beachtung des Vorrangs der Radfahrer von Kraftfahrzeugen überfahren werden, wenn es die Verkehrslage zwingend erfordert, z.B. weil die Straßenbreite nicht für einen Begegnungsverkehr ausreicht.

Die vorgenannten Radverkehrsanlagen sind benutzungspflichtig, die Anordnung der Benutzungspflicht ist an ausreichende Wegbreiten und eine stetige Verkehrsführung gekoppelt. Dies gilt sowohl für den Überholabstand zu Fußgängern als auch den Abstand zu Kraftfahrzeugen. Aufgrund zu geringer Breiten können jedoch oftmals weder ausreichende Abstände zu Fußgängern noch zu parkenden Fahrzeugen eingehalten werden. Überholende Kraftfahrzeuge beachten leider oftmals die erforderlichen Seitenabstände nicht.

Nicht benutzungspflichtige Radwege sind von Fußwegen unterscheidbare Wege, die parallel zu diesen verlaufen. Diese Wege dürfen nur von Radlern benutzt werden, sie dürfen jedoch nicht von anderen Verkehrsteilnehmern genutzt werden – auch nicht zum Parken oder Ein- und Aussteigen. Dasselbe gilt für Gehwege mit der Freigabe für Radler. Hier gilt jedoch eine besondere Rücksicht von Radlern auf die vorrangigen Fußgänger. Falls erforderlich muss der Radler anhalten.

Im Normalfall wird der Radverkehr jedoch auf der Fahrbahn geführt. Hier hat der Radler einen höheren Abstand zu Fußgängern und der Seitenabstand zum Kantstein und zu parkenden Kraftfahrzeugen ist durch den Radler wählbar – der ADFC empfiehlt hier im Einklang mit dem Bundesverkehrsministerium einen Seitenabstand von 0,8 Metern bis 1,0 Metern zum Kantstein und 1,20 Meter zu parkenden Fahrzeugen. Überholende Kraftfahrzeuge fahren jedoch teilweise mit zu geringem Seitenabstand am Radler vorbei – hier ist ein Seitenabstand von mindestens 1,50 Metern erforderlich.

Historisch betrachtet wurden Radwege zu Beginn der 1930er Jahre auch nicht zur Erhöhung der Sicherheit der Radfahrer eingeführt, sondern um den Kraftfahrzeug-Verkehr zu beschleunigen. Diese Absicht hat man jetzt innerhalb der Wohngebiete nicht mehr, hier besteht eher die Notwendigkeit einer Bremsung, um zum Beispiel Kindern eine Überlebenschance im Kollisionsfall zu geben.

Radwege in Fahrtrichtung links sind mit einem besonders hohen Unfallrisiko belastet und dürfen deshalb innerorts nur in Ausnahmesituationen angeordnet werden. Deshalb gefährden sich Radler, die in unzulässiger Weise als Geisterfahrer in Fahrtrichtung links unterwegs sind, hochgradig selbst und sind auf dem von ihnen gewählten Weg keineswegs sicher.

Weshalb wird der Aspekt Sicherheit offensichtlich unterschiedlich eingeschätzt? Wer hat hier Recht? Verkehrsunfall-Untersuchungen zeigen, dass es eine Diskrepanz zwischen der gefühlten Sicherheit (als "Subjektive Sicherheit" bezeichnet) und den wirklich gemessenen Unfallzahlen gibt ("Objektive Sicherheit" genannt). Zwar reduzieren Radwege das Unfallaufkommen mit Radlern im Streckenverlauf ohne stark frequentierte Zufahrten; an Kreuzungen und Einmündungen ergibt sich jedoch ein um Faktor 3 erhöhtes Risiko für einen Unfall gegenüber einer Fahrbahnführung.

Diese Ergebnisse führten zu veränderten Bewertungen von Radverkehrsanlagen durch den Gesetzgeber. In diesem Sinne ist nach §45 der StVO im Abschnitt 1c festgelegt, dass in Tempo-30-Zonen keine Benutzungspflicht von Radverkehrsanlagen angeordnet werden darf. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (AZ 3 C 42.09, VGH 11 B 08.186) in Leipzig von 2009 ist auch für die Anordnung einer Benutzungspflicht von Radverkehrsanlagen eine besonders erhöhte Gefährdungslage erforderlich.

Aus diesen Gründen setzt sich der ADFC für die Aufhebung der Benutzungspflicht in Wohngebieten mit niedrigem Geschwindigkeitsniveau der Kraftfahrzeuge (z.?B. Erschließungsstraßen), an Radwegen neben senkrechten Parkständen und in Tempo-30-Zonen ein. Aufgrund von Farbgebung oder Markierung kann nach Aufhebung der Benutzungspflichten jeweils ein nicht benutzungspflichtiger Radweg vorliegen. Wer sich also auf einem Radweg sicherer fühlt, kann diesen weiterhin benutzen.

Die Stadt Hattersheim hat jüngst an vielen Stellen erfreulicherweise die Benutzungspflicht von Radverkehrsanlagen aufgehoben und damit ein Wahlrecht für Radler geschaffen. An einer anderen Stelle wurde ein Radweg gleich ganz aufgehoben und stattdessen die parallele Einbahnstraße für Radler in beiden Richtungen freigegeben. Herzlichen Dank dafür!

Holger Küst

Verkehrszeichen

Verkehrszeichen

Verkehrszeichen

Verkehrszeichen

Verkehrszeichen

Verkehrszeichen