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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Bild zum Artikel Höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands: Müngstener Brücke bei Solingen
Peter Sauer (alle)

Zwischen Wupper, Wald und Eisen

Panorama-Bahnradwege: Kleine Runde durch das Bergische Land

E-Mails mit dem Absender "DB Reisebegleitung" lassen nichts Gutes ahnen. So ist es dann auch am Sonntagmorgen vor Ostern. Der IC nach Siegen wird mit 10-minütiger Verspätung angekündigt. Kurz darauf werden daraus 25 Minuten. Wenig später dann heißt es: Ihre Fahrt von Frankfurt(Main)Hbf nach Siegen Hbf heute um 09:51 Uhr fällt aus. Zu diesem Zeitpunkt stehen wir bereits ziemlich durchgefroren auf Gleis 16 des Frankfurter Hauptbahnhofs, auf dem aber zum Glück der Folgezug, der RE 99 nach Siegen, pünktlich einfährt. Zwar ohne den zweiten Zugteil, der normalerweise dazu gehört, aber das soll uns zu diesem Zeitpunkt nicht belasten – "unser" Zugteil nach Siegen ist da, wir werden unser Ziel erreichen, wenn auch mit einstündiger Verspätung (wie schon häufig in letzter Zeit). Die vorgesehene Rad-Etappe ist davon glücklicherweise kaum betroffen, wir Skeptiker planen immer vorausschauend mit der Deutschen Bahn!

In Siegen, direkt hinter dem Bahnhof, beginnt der ausgeschilderte Radweg mit dem in Nordrhein-Westfalen praktizierten Knotenpunkt-System. Knotenpunkt Nummer 44 ist unser nächstes Ziel, wir machen uns auf den Weg. Zwischen den gewaltigen Betonsäulen, die die über uns liegende Bundesstraße tragen, kommen wir nach Kreuzthal. Rechts und links große Industrieanlagen, Eisen, Stahl (Deutsche Edelstahl, Thyssen) prägen die Landschaft in den Tälern. Auch an einem ruhigen Sonntag ist nicht zu übersehen, dass hier hart gearbeitet wird, Metallbetrieb reiht sich an Metallbetrieb, dazwischen die Höfe der Speditionen mit ihren ordentlich aufgereihten Lkw-Flotten, über oder unter uns die mehrspurige B 54, irgendwo dazwischen eine Bahnlinie, daneben Gütergleise. Wer in Frankfurt vergessen haben sollte, wie Industrie aussieht, fahre mit dem RE 99 hinauf ins Siegerland, hochinteressantes Anschauungsmaterial findet sich direkt am Wegesrand. Die Radroute ist beschildert, doch auch hier verwirren immer wieder verdrehte Schildermasten oder ausgeblichene und dadurch unkenntliche Richtungspfeile, so dass eine gute Landkarte (oder ein verlässliches Navigationssystem) unerlässlich ist.

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links: In Siegen ist der Radweg wettergeschützt
rechts: Bremsbereit machen: Hinweis vor Wipperfürth

Mit einer langgezogenen Steigung verlassen wir das Tal auf einer schmalen, verkehrsarmen Straße, unterqueren oben auf der Höhe nochmals die B 54, die es irgendwie ebenfalls hier hinauf geschafft hat, und befinden uns unvermittelt in einer ländlichen Umgebung, mit kleinen Dörfern und landwirtschaftlichen Betrieben. Der Duft von Kuhdung zieht in die Nase. Das Sträßchen windet sich bergab zwischen Feldern und durch Dörfer dahin, ein Bach mäandert durch nasse Wiesen, die Sonne scheint – Sonntagsidylle im Sauerland, das wir nach Unterqueren der B 54 erreicht haben. Doch die Neubaugebiete am Rande der Dörfer, in denen Häuschen an Häuschen steht, zeugen auch hier von der unmittelbaren Nähe der Industriearbeitsplätze. Das ändert sich bis Olpe kaum, wo in der Nähe der Autobahn 45, der Sauerlandlinie, Gewerbegebiete an den Talhängen hochwachsen und der Radweg sich immer wieder um monströse Betonstützpfeiler von Hochbrücken windet. Olpe selbst lohnt jedoch einen Abstecher, und sei es nur, um am alten Marktplatz eine Tasse Kaffee zu trinken und auf dem Weg dorthin einige hübsche Ecken zu entdecken.

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links: Von Nummer zu Nummer: Knotenpunktsystem
rechts: Schloss Burg oberhalb der Wupper

Drolshagen, einige Kilometer westlich von Olpe, erreichen wir auf einem Bahntrassenweg nahezu steigungsfrei. Ein netter Ort, in dem einige Straßenzüge herausgeputzt sind, die Häuser mit den für die Region typischen grauen Schieferplatten verkleidet, hin und wieder sind einzelne Fachwerkelemente zu sehen. Hier im Sauerland gibt es sie noch, die Dorfjugend, die mit knatternden Mopeds die Hauptstraße beschallt, immer zwischen Kirche, Dönerladen, Gasthof und der Bushaltestelle am Marktplatz unterwegs. Hat so nicht auch der Sauerländer Friedrich Merz, aktuell Chef der CDU, angefangen, der in seiner Jugend ebenfalls als Mopedrocker aufgefallen sein will? Und aus dem ist ja dann auch noch etwas geworden, könnte man den Jungs auf ihren Mopeds zurufen, doch da ist bereits Ruhe eingekehrt im beschaulichen Drolshagen.

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links: Sollte die Grüne Landesvorsitzende bis nach ...
rechts: Hückeswagen rasen: Hier hilft ihr die CDU

Im Gasthof "Zur alten Quelle" landen die besten Bratkartoffeln seit langem auf unseren Tellern, die Portionen sind nicht zu bewältigen. "Sie hatten doch zwei wahrscheinlich sehr hungrige Personen angemeldet", lässt uns die Bedienung wissen, "da wollten wir die Portion nicht zu knapp halten". Lobenswert, durchaus, aber leider trotzdem nicht zu schaffen. Die Bratkartoffeln, übrigens, gibt es nur am Wochenende. Werktags hat die Küche geschlossen, nach Corona ist eine Wiedereröffnung fraglich. Es gibt kein Personal, stöhnt die Wirtin, freut sich aber sichtlich über unsere Lobeshymne. Selbstgemacht seien die Bratkartoffeln, aus richtigen Pellkartoffeln, nicht aus der Tiefkühltheke.

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links: Typisch: grauer Schiefer, grüne Läden
rechts: Kurze Steilrampen unterbrechen die Idylle

Nach einer überraschend ruhigen Nacht, ganz ohne Mopedlärm, wachen wir an einem frostigen Montagmorgen auf, Raureif liegt über den Dächern der Häuser, im Sauerland ist noch Winter. Wir sind froh darüber, dass der Bahnradweg, den wir nach einem ausgiebigen Frühstück nun weiterhin befahren, leicht ansteigt, nicht gerade schweißtreibend, aber doch die Betriebstemperatur erhöhend. Hinter dem Wegeringhauser Tunnel (bis vor wenigen Tagen noch als Fledermaus-Winterquartier geschlossen) dann senkt sich das Asphaltband und wir rollen gemächlich durch die Sonne – und wechseln dabei vom Sauerland ins Bergische Land. Bei "Pernze Industrie" verlassen wir die Bahntrasse, folgen dem Symbol "Bergischer Panoramaradweg" und quälen uns auf einer Landstraße bergauf. Das ist dann bereits schweißtreibend, wenigstens bis zum Abzweig zur Aggertalsperre, deren Stausee einer von vielen ist in der niederschlagsreichen Region. Jenseits der Staumauer lockt ein Lokal zu einem ersten Kaffee. Das in der Staumauer-Bruchsteinarchitektur der 1920er Jahre errichtete Bauwerk bietet thailändische Küche, aber erst nach 17 Uhr und Kaffee gar nicht. Also weiter entlang des Stausees, bis zu dem arg steilen Anstieg nach Unnenberg. Hier wird es nun wirklich schweißtreibend, wir schieben mühsam und freuen uns über die Sitzbank, die ein freundlicher Anwohner am Ortseingang aufgestellt hat. Oben dann, auf der Weiterfahrt nach Dannenberg, schweift der Blick weit über das Land – und offenbart enorme Waldschäden. Wo die Straße vor einigen Jahren noch durch einen Wald verlief, verläuft sie nun auf einer offenen Hochfläche mit Resten von Baumstümpfen. Riesige Hangflächen sind kahl oder von umgestürzten Bäumen geprägt. Wir kennen das von den Brachflächen im Taunus, sind aber doch erschüttert über den Umfang der Waldschäden hier im nun Bergischen Land. Zwanzig Jahre, mindestens, prognostizieren Fachleute, bis hier wieder etwas Ähnliches wie Wald zu erkennen sein wird. Bis dahin gilt: Fernsicht über das südliche Sauerland und das Bergische Land genießen.

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links: Bandwebstuhl in Wuppertaler Museum
rechts: Radweg über Wuppertal: Nordbahn-Viadukt

In Marienheide finden wir einen türkischen Gemüseladen und den Anfang der Bahntrasse, auf der der "BEPA", wie der Bergische Panoramaradweg in der Landkarte kenntlich gemacht ist, weiter verläuft. Das Flüsschen neben uns heißt Wipper und wird später, so viel sei hier schon verraten, zur deutlich bekannteren Wupper. Doch vorher kommen wir nach Wipperfürth, den Älteren unter euch sicherlich durch die Bekleidungsfirma "Müller-Wipperfürth" geläufig, die in früheren Jahren mit vielen Filialen im Land präsent war. Der Ort ist das, was wir unter einem hübschen Städtchen verstehen (nicht nur wegen des Cafés am alten Marktplatz). Eine lebendige Einkaufsstraße, schiefergraue Häuser, verkehrsberuhigte Innenstadt und einladende Markierungen auf dem Radweg – hier hat jemand mitgedacht. Wipperfürth war, für uns überraschend, in früheren Jahren Mitglied der Hanse, so dass es auf Postkarten mit dem Zusatz "Hansestadt" wirbt. Am Ortsende auf dem Areal des ehemaligen Bahnhofs dann ein alter Schienenbus, mit dem an das Durchgangslager erinnert wird, in dem viele Flüchtlinge am Ende des Zweiten Weltkriegs betreut wurden.

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links: Typisch bergisch: Eisen, Stahl, Radtouristen
rechts: Traditioneller Schiefer im Ortskern von Lennep

In Hückeswagen, nur wenige Kilometer weiter, radeln wir von Kreisverkehr zu Kreisverkehr, um am letzten dieser Kreisel auf eine Fahrrad-Reparaturstation zu stoßen, gespendet von der örtlichen CDU. Ist's Wahlwerbung (in NRW steht die Landtagswahl bevor) oder einfach nur eine gute Tat? Prompt kommt "Mona", die Landesvorsitzende der Grünen in NRW, uns auf ihrem Wahlplakat mit einem Rennrad entgegen. Ob auch die paar Kilometer bis nach Hückeswagen, um sich von der CDU helfen zu lassen? Das werden wir erst nach der Wahl erfahren.

Apropos Kreisverkehr: es könnte einem schwindlig werden ob all der Kreisverkehre im Bergischen Land. In Olpe, in Wipperfürth, in Hückeswagen, aber auch hier in Wermelskirchen wird fleißig im Kreis gefahren. Das ist manchmal etwas verwirrend, vor allem, wenn Einheimische den Ortsfremden die Wegeführung erläutern wollen ("… vor bis zum Kreisel, dort rechts, dann kommt wieder ein Kreisel, an dem fahren Sie geradeaus, dann am nächsten Kreisverkehr gleich rechts abbiegen, …" usw.), sorgt aber für eine deutliche Beruhigung des Verkehrs und spart Wartezeit an roten Ampeln.

Wermelskirchen ein schönes Städtchen zu nennen, wäre vermessen, doch wer ursprünglich aus Hanau oder Kassel stammt, ist da nicht empfindlich. So kann man auch hier neben der Sparkassenarchitektur der 70er Jahre und der darauffolgenden Bürgerhaus-Phase ein paar alte, im bergischen Stil erhaltene Bauten entdecken. Schön ist die verkehrsberuhigte Einkaufsstraße, allerdings mit viel Leerstand in der Ladenzeile. Schön ist auch der historische Gasthof "Zur Eich" am westlichen Kreisverkehr der Einkaufsmeile. Doch auch hier, wie so oft, gibt es zwar Übernachtungsbetrieb, aber keine Küche. Die gut erhaltenen Gasträume werden nur noch zum Frühstücken genutzt, der Gastgarten ist schon lange geschlossen. Schade, doch hungern muss niemand. Im Ort gibt es eine Vielzahl von landestypischen Restaurants, vom Döner bis Pizza oder von griechisch bis indisch ist alles da. Gut, dass wir Bratkartoffeln bereits am Vorabend auf dem Teller hatten. Die hätten wir hier sicherlich nicht gefunden.

Am Morgen des nächsten Tages tun wir uns ein wenig schwer, in Wermelskirchen den Wiedereinstieg in den "BEPA" zu finden. Mit Hilfe von Passanten orientieren wir uns hin zur Autobahnauffahrt und entdecken dann doch noch die Wegweisung zur Radstrecke nach Schloss Burg. Hier geht es unvermittelt wieder ländlich zu, nicht ganz steigungsfrei, aber dafür entschädigen weite Blicke über das Land. Auf einer Anhöhe, neben einer etwas heruntergekommenen Tennisanlage, findet sich ein Schild mit der Aufschrift "Schloss Burg". Zu sehen ist von einem Schloss allerdings nichts, so dass wir etwas enttäuscht bergab in das Dorf rollen. Dort folgt die Überraschung – Schloss Burg gibt es wirklich, es liegt direkt am Ortsausgang vor uns, wir müssen heftig bremsen, um auf der steilen Straße nicht vorbeizufahren. Wie sich herausstellt, ist das Schloss ein berühmtes Ausflugsziel oberhalb der Wupper, das in NRW offensichtlich den meisten bekannt ist, uns aber bisher nicht. Die gewaltige Anlage ist leider eingerüstet und wird saniert, was bei den Nachbarn am Caféhaustisch für Verärgerung sorgt. Wenn man das gewusst hätte, hätte man sich die Reise erspart, lamentieren sie nicht ganz zu Unrecht, so sei das ja nur der halbe Spaß. Richtig, aber besichtigen kann man das Schloss, das eher eine Burg ist (vielleicht deshalb der Name "Schloss Burg"?), trotzdem. Auch die Seilbahn, die den Höhenunterschied zwischen Wupper und Schloss überwindet, ist in Betrieb, selbst ein Fahrrad kann man auf diese Weise in die Höhe befördern. Uns, die wir von Oben gekommen sind, hilft das nicht, und bergab ins Wuppertal rollen wir schneller auf der Straße.

Entlang der Wupper führt eine schmale Straße durch den Wald (hier im tiefen Taleinschnitt stehen die Bäume noch) bis fast unter die Müngstener Brücke. Nur fast, denn um die Eisenkonstruktion hoch über dem Tal genauer betrachten zu können, müssen wir die Wupper überqueren, hier mangels Brücke mit einer "Schwebefähre" genannten Vorrichtung. Dabei ist fleißiges Mit-Kurbeln nötig, um die auf zwei dicken Tauen ruhende Fährplattform in Bewegung zu setzen und dadurch das andere Ufer des Flusses zu erreichen. Es gelingt, die Arm-Arbeit beim Kurbeln ist eine willkommene Abwechslung zur Bein-Arbeit beim Radfahren. Erholen kann man sich dann unter der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands auf Ruhebänken, von denen man eine grandiose Aussicht auf die Hochbrücke hat.

Und dann kommt Solingen. Nach einer langgezogenen Steigung auf einem Waldweg erreichen wir leise fluchend die Bahnlinie, die über die Müngstener Brücke führt, 110 m über unseren Ruhebänken. Auf der Höhe ist Solingen bereits zu sehen, oder wenigstens das, was wir für Solingen halten. Die Radroute verläuft durch kleine Straßen in Vororten, auf und ab, quert eine alte Genossenschaftssiedlung und landet unvermittelt wieder auf einer ehemaligen Bahntrasse, der Korkenziehertrasse. Nun fährt man nicht mehr durch, sondern über Solingen hinweg, kreuzt Straßen, rollt durch Tunnel, alles autofrei und sehr bequem. Um am Ende, am Abzweig nach Wuppertal, festzustellen, dass man immer noch keine rechte Vorstellung von Solingen gewonnen hat. Das müssen wir bei anderer Gelegenheit nachholen.

In Wuppertal haben wir das gleich getan. Auch hier fahren wir auf einem sehr schönen Bahnradweg durch die Stadt, auf der "Nordbahntrasse", die über zwanzig Kilometer quer durch Wuppertal führt, auf halber Höhe der steilen Hänge, an denen die Stadt hochgewachsen ist. Wir verlassen die Trasse jedoch am ehemaligen Mirker Bahnhof, der jetzt zu einer "Utopiastadt", einem alternativen Kulturzentrum, entwickelt wird, und rollen hinunter in die Mitte von Elberfeld, zum Hotel in Sichtweite der Schwebebahn. Dort endet unsere Tour vorerst, die Räder werden am Treppengeländer des Hotels angeschlossen und wir erwerben am nächsten Kiosk eine Zweitageskarte für den Öffentlichen Nahverkehr. Um sich auf die Spuren von Industriegeschichte, Friedrich Engels oder der legendären Schwebebahn zu begeben, ist das Fahrrad in der Stadt mit ihren steilen Straßenzügen nur bedingt geeignet.

Auf den Spuren von Engels, Textilindustrie und Schwebebahn

Wuppertal ist geprägt von der typisch westdeutschen Nachkriegsarchitektur. Interessantes zu entdecken gibt es aber durchaus, ob Museen zur Geschichte der Textilindustrie (schön ist das kleine Bandwebermuseum, in dem man in einer Führung die Entwicklung der Bandwebe-Technik gezeigt bekommt), Skulpturenpark in einem Waldstück über der Stadt, das historische Luisenviertel mit seinen alten Häusern und vielen Kneipen oder der ehemalige Gaskessel in Oberbarmen am östlichen Ende der Schwebebahntrasse, von dessen Dach (hier heißt es "Skywalk") man einen weiten Blick über die Stadt hat und in dessen Inneren uns "Fantastische Shows auf Europas größter 360�-Leinwand" erwarten. Aber das ist eine eigene Geschichte, mehr Wuppertal würde hier den Platz sprengen.

Auf der bereits erwähnten Nordbahntrasse, die wir bürgerschaftlichem Engagement verschiedener Wuppertaler Initiativen verdanken (siehe dazu unbedingt nordbahntrasse.de), verlassen wir die Stadt und folgen nun der "Balkantrasse", die ebenfalls überwiegend auf ehemaligen Bahnstrecken verläuft. Balkantrasse heißt sie, weil hier früher ein Personenzug verkehrte, der im Volksmund Balkanexpress genannt wurde. Und warum das? Weil, recherchiert der Hotelier in Burscheid, unserem nächsten Tagesziel, die Bahn kurvenreich durch damals dünn besiedeltes Gebiet fuhr – so stellte sich die städtische Bevölkerung in Leverkusen oder Wuppertal (beides Städte, die es damals noch gar nicht gab und die erst durch Zusammenschlüsse im Jahr 1930 zu ihren Namen kamen) wohl den Balkan vor.

Noch ist die Radtrasse nicht durchgehend auf Bahnwegen zu befahren, so dass hinter Wuppertal ein schmaler Weg durch ein idyllisches Tal führt, vor dem uns ein überholender Pedelecfahrer warnt. Es sei sehr schön dort, meint der Mann, aber es erinnere auch ein wenig an die Alpen, schließt er seine Ankündigung und schaut skeptisch auf unsere nicht motorisierten Räder. Als schön stellt sich die Strecke dann wirklich heraus, ein Bach plätschert durch den Wald und zwischen Wiesen daher, der Weg windet sich bergan, doch an alpinen Dimensionen gemessen ist die Gegend hier um Remscheid eher als hügelig zu bezeichnen und von uns durchaus zu bewältigen. Der Idylle folgt, wie so oft, eine Autobahnunterquerung und ein Stahlbaubetrieb mit einem sehenswerten Schrottlager, danach ein verlassenes Bahnhofsgebäude und ein Vorort, der laut Beschilderung zu Remscheid gehört. In Lennep, auch das gehört zu Remscheid, lohnt ein Abstecher in den historischen Ortskern, dessen Gastronomiebetriebe offensichtlich auf größere Touristengruppen eingerichtet sind. Davon ist jedoch am kühlen Karfreitag nichts zu sehen, so dass wir uns ganz der hier nun historischen Idylle hingeben können.

Am Bahnhof von Lennep beginnt dann wieder ein Bahnradweg, auf dem die Balkantrasse mit leichtem Gefälle noch einmal nach Wermelskirchen führt und von dort weiter nach Burscheid. Die Landschaft wird flacher, der Rhein ist bereits zu erahnen. Von Burscheid fahren wir am nächsten Morgen auf der Bahntrasse nach Leverkusen. Hier endet der Bahnweg, ab hier ist es etwas mühsam, die Orientierung zu behalten, die Beschilderung weist erhebliche Mängel auf. Doch wir schaffen es mit Hilfe von Einheimischen, die Rheinfähre bei Hitdorf zu finden, queren den Fluss und fahren auf dem Uferweg bis hinein nach Köln. Die letzten Kilometer wieder durch großflächige Industrieanlagen wie zu Anfang im Siegerland, hier jedoch heißen sie Ford-Werke und strahlen am Ostersamstag eine tiefe Ruhe aus. Das ist anders vor dem Kölner Hauptbahnhof, wo uns die Menschenmassen zwischen Dom und Bahnhof daran erinnern, dass das Bergische Land nun hinter uns liegt und wir uns besser wieder auf großstädtischen Verkehr einstellen sollten.

Bergische Panorama-Radwege

Die Panorama-Radwege im Bergischen Land (dessen Name nicht von Bergen – die es dort alllerdings auch gibt –, sondern vom früheren Herzogtum Berg kommt) sind über Köln oder Siegen relativ leicht per Bahn mit Fahrradmitnahme zu erreichen. Die ADFC-Regionalkarte "Bergisches Land" (BVA BikeMedia) hilft bei der Orientierung. Wer nicht gar zu weit von der Radroute entfernt übernachten will, sollte sich rechtzeitig kümmern. Die Region liegt im Einzugsbereich der großen Städte an Rhein und Ruhr, Hotels oder Gasthöfe sind zu Messezeiten schnell ausgebucht.

Unter "einfach-bergisch-radeln.de" gibt es reichlich brauchbare Informationen. Routenskizzen und Höhenprofile sind hier gut zusammengestellt (und können telefonisch auch in gedruckter Version bestellt werden). Wer bei der Planung nur kurze Etappen vorsieht, hat Zeit für all die Dinge, die es im "Bergischen" zu entdecken und zu besichtigen gibt.

Peter Sauer